Am 13. November 2025 fand in Frankfurt die gemeinsame Veranstaltung der GDCh-Gruppe „Senior Experts in Chemistry“ (SEC), der DECHEMA e.V. und des Wissenschaftskreises für Genomik und Gentechnik (WGG) mit ca. 60 Teilnehmer*innen statt.
Während die Weltbevölkerung wächst, die Erderwärmung voranschreitet und Agrarflächen stetig abnehmen, sinkt die Anzahl der zugelassenen Pestizidwirkstoffe kontinuierlich. Dies stellt eine große Herausforderung für die Sicherung der Lebensmittelversorgung der Weltbevölkerung dar. Darauf wies der Moderator Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany in seiner Einführung hin.
Welche Bedeutung dabei dem modernen Pflanzenschutz zukommt und wie dieser in Zukunft ressourcenschonend gestaltet werden sollte, beleuchteten anschließend aus verschiedenen Perspektiven.
Die ersten Referentinnen, Maria Valtin (BASF SE, Limburger Hof) und Dr. Susanne Kübbeler (Bayer CropScience Deutschland), vertraten die Positionen der forschenden Pflanzenschutzmittelhersteller. Sie hoben vor allem die Zulassungsproblematik für neue, gezielt wirkende Wirkstoffe hervor, die dringend benötigt werden, da viele ältere, eher unspezifische Wirkstoffe ihre Zulassung verloren haben bzw. in Kürze verlieren werden.
Die derzeitige Verfahrensdauer wurde anhand konkreter Beispiele veranschaulicht. Die Unternehmen beklagten die aktuelle EU-Politik und verwiesen auf die sehr hohen Risiken und Kosten der Entwicklung neuer Wirkstoffe. Sie befürchten, zukünftig zunehmend vor der Entscheidung zu stehen, ob neue Wirkstoffe überhaupt noch in der EU zugelassen werden können, wenn das Zulassungsverfahren nicht grundlegend reformiert wird. Von der Entwicklung bis zur Zulassung eines Wirkstoffs vergehen in der EU mittlerweile bis zu zehn Jahre, in denen viele Millionen Euro investiert werden, die innerhalb des Lebenszyklus eines neuen Pflanzenschutzmittels kaum mehr eingespielt werden können.
Nach Schätzungen der FAO beträgt der weltweite Ernteverlust durch Schädlingsbefall 40 %. Während im Jahr 2025 noch 2.037 Pflanzenschutzmittel in der EU zugelassen waren, werden bis zum Jahr 2026 85 weitere Wirkstoffe die Zulassung verlieren. Demgegenüber wurde seit 2019 in der EU kein einziger neuer Wirkstoff mehr zugelassen. Am Beispiel von drei Wirkstoffgruppen (Herbizide, Fungizide und Insektizide) konnte gezeigt werden, wie sich die zukünftigen Ertragsverluste mit abnehmender Zahl an Wirkstoffen reduzieren werden.
Ein weiteres Problem für die Landwirtschaft ergibt sich aus dem damit immer schwieriger werdenden Resistenzmanagement.
Mit großem Interesse wurden daher die beiden folgenden Vorträge zu innovativen Pflanzenschutzmethoden erwartet, die sich mit der RNA-Technologie beschäftigten.
Könnten sogenannte „RNA-Sprays” zukünftig eine selektive, biologische und vor allem rückstandsfreie Behandlung von Nutzpflanzen ermöglichen? Oder lauern auch hier neue Risiken?
Frau Prof. Dr. Gabi Krczal (Neustadt a. d. W.) erklärte dem Auditorium, dass gemäß der „Farm-to-Fork-Strategie“ im Rahmen der „Green Deal“-Initiative der Europäischen Kommission, welche eine Halbierung der Anwendung klassisch chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 vorsieht, dringend alternative Verfahren benötigt werden, um die zukünftig erforderlichen Erntemengen zur Aufrechterhaltung der Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Eine der vielversprechendsten Techniken ist die . Kurz gesagt wird synthetische mRNA hergestellt und auf die Pflanzen aufgesprüht. Die mRNA dringt in die Pflanzenzellen ein und diese produzieren den erforderlichen Wirkstoff zur Schädlingsbekämpfung dann selbst, ohne dass eine genetische Veränderung der Pflanze selbst vorgenommen wird. Die applizierte mRNA baut sich innerhalb kurzer Zeit rückstandslos und auf natürliche Weise ab. Auch der von der Pflanze selbst hergestellte Wirkstoff wird auf natürliche Weise nach kurzer Zeit rückstandsfrei verstoffwechselt.
Sicherlich lassen sich die Risiken der mRNA-Interferenztechnik („gene silencing“) derzeit nicht zu 100 % ausschließen. Sie müsste jedoch mit den Risiken der aktuellen Pflanzenschutzpraxis, die bekannte gesundheitliche und ökologische Risiken birgt, verglichen werden.
Genau diesen Vergleich führt die Arbeitsgruppe der Ökotoxikologin Dr. Elke Eilebrecht am Fraunhofer-Institut IME (Schmallenberg) im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) derzeit durch. Hinsichtlich ihrer Spezifität, ihrer Persistenz in der Umwelt und ihrer potenziellen Auswirkungen auf Nichtzielorganismen müssen RNA-Techniken systematisch untersucht werden, bevor sie eingesetzt werden dürfen. Das wird noch einige Jahre dauern.
Selbstverständlich wurden auch die Möglichkeiten der neuen Gentechnik in diesem Zusammenhang nochmals diskutiert. Es war nicht überraschend, dass von den Teilnehmern keine kritischen Töne hinsichtlich der Einstufung von sog. NGT-1-Pflanzen als zukünftig nicht zulassungs- und kennzeichnungspflichtig zu hören waren.
Selbst der Schweizer „Öko-Papst“ Prof. Dr. Urs Niggli vom Institut für Agrarökologie in Aarau schloss die neuen genomischen Techniken für den Biolandbau nicht mehr kategorisch aus und forderte eine weniger ideologisch-politisch, als vielmehr rein wissenschaftlich geprägte Diskussion.
Insbesondere in der abschließenden Diskussion wurde bedauert, dass keine Vertreter:innen aus der Landwirtschaft den Weg nach Frankfurt gefunden hatten, um auch ihre Fragen und Standpunkte noch einmal im Referentenkreis zu besprechen.
IHR PLUS: AGROLAB bleibt an den heißen Themen dran. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass es zu allen aktuellen und auch zukünftigen Verfahren des Pflanzenschutzes stets sichere und bezahlbare analytische Nachweisverfahren geben muss, die den Schutz der Verbraucher:innen vor unsicheren Lebensmitteln gewährleisten.
Autor: Dr. Frank Mörsberger, AGROLAB GROUP

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